Um es vorweg zu nehmen: Die Tour entwickelte sich zur ersten Schneewanderung des beginnenden Winters: War der vergangene Samstag noch von Föhn mit Temperaturen um die 15° geprägt, so sank am Montag die Schneefallgrenze auf unter 800 m und der Dienstag war bereits eisig kalt. Kurz vor Bayrischzell zeigte das Fahrzeugthermometer am Mittwoch gegen 8:30 Uhr eine Tempera-tur von -7°C an, ein Umstand, der einige von uns vorbeugend daran denken ließ, gewisse Verrichtungen besser nicht im Freien vorzunehmen. So legten wir am Parkplatz der Wendelsteinbahn einen Zwischenstopp ein, wobei wir alle Mühe hatten, die anwesenden Arbeiter, die uns kategorisch erklärten, die Bahn sei in Revision und daher außer Betrieb, davon zu überzeugen, dass wir gar nicht auf eine Bergfahrt, sondern lediglich auf die Toilettenbenutzung spekulierten. Der Dringlichkeit der Angelegenheit folgend, blieben wir so lange hartnäckig, bis sich jene genervt wieder ihren Aufgaben zuwandten und uns gewähren ließen.
In der Parkbucht des Wedel-Lifts am unteren Sudelfeld parkten wir den AV Bus und machten uns alsbald auf den Weg. Ursprünglich wollte ich mit der Wanderung alle 5 Gipfel des Höhenkamms von der Käserwand über Wildalpjoch, Seewand, Kesselwand bis zur Lacherspitz abklappern. „Doch die Verhältnisse, die war’n nicht so...“. Ab einer Meereshöhe von ca. 1300 m erwies sich nur ein Teil der dazu erforderlichen Wege als hinreichend gespurt. Und selbst wo gespurt war, musste man aufgrund der Glätte seine Schritte (vor allem bergab) sehr sorgfältig setzen. Überdies blies in Kamm-Nähe ein kräftiger, unangenehm kalter Wind; mein Vorab-Ratschlag nur Brotzeiten mitzubringen, die man auch mit Handschuhen essen kann, war insofern obsolet, als in Gipfel- Nähe niemand auch nur im Entferntesten daran dachte, die Brotzeit auszupacken. Stattdessen genossen alle die wunderbaren Ausblicke aufs Voralpenland samt Inntal und Chiemsee, vor allem aber die Fernblicke zu den Ötztaler und Zillertaler Alpen, zur Venediger- und Glocknergruppe, zu Watzmann und Hochkalter und, in der andern Richtung, zum recht nah gelegenen Wendelstein. Bei so eisigen Temperaturen muss man allerdings durchaus etwas schneller gucken als sonst…
Zurück an einem windstillen Sattel wurden dann bei einer vereisten Bank die mitgebrachten Brotzeiten verzehrt; und danach gab es obendrein für alle das wunderbar saftigmürbe Apfelbrot von Sofie – es wurde tatsächlich von allen strikt handschuhfrei genossen.
Die Lust sich angesichts der Weg- und Windverhältnisse zu einem weiteren Gipfel aufzumachen hielt sich danach durchweg in Grenzen. So machten wir uns auf den Rückweg zum Parkplatz, um bei unserer Ankunft festzustellen, dass die gesamte Bucht während unserer Wanderung mit mindestens einem Dutzend Schilder vollständig zur Halteverbotszone deklariert worden war…
Bei der Rückfahrt durchs Leitzachtal, kurz hinter Marbach, war dann der Besuch des Cafés Winklstüberl obligatorisch, mit seinen über 500 antiquierten Kaffeemühlen und den überdimensionierten Torten. (“Essen wir heute noch zu Abend oder lieber jetzt ein Stück Torte?“)
Einziger Wermutstropfen. Entgegen der Hinfahrt wurde die Rückfahrt durch München zur wahren Geduldsprobe: Aber auch hier erwies sich Sofies stets konstruktive Art als Stimmungsretter: „Wir lassen uns doch den heutigen wunderbaren Tag nicht durch das bisschen Stau vermiesen!“
Reiner Wertheimer